Fehlende Zuverlässigkeit des gewerblichen Abfallsammlers

Fehlende Zuverlässigkeit des gewerblichen Abfallsammlers

Fehlende Zuverlässigkeit des gewerblichen Abfallsammlers

Untersagung nur als letztes Mittel zulässig

Zweifelt die zuständige Abfallrechtsbehörde an der Zuverlässigkeit eines gewerblichen Abfallsammlers darf sie ihm nicht sofort die Abfallsammlung untersagen. Sie muss zunächst weniger belastende Maßnahmen ergreifen, denn die Untersagung ist wegen des Eingriffs in das Grundrecht der Berufsfreiheit „ultima ratio“, das letzte Mittel. Das hat der VGH Baden-Württemberg mit seinem Urteil vom 19.06.2018 (Az. 10 S 1449/17) klargestellt.

Voraussetzungen der Untersagung der gewerblichen Abfallsammlung

Im konkreten Fall ging es um einen gewerblichen Abfall­sammler von Alttextilien, der sich gerichtlich gegen die behördliche Untersagung seiner Abfall­sammlung zur Wehr setzte. Das Gericht gab ihm Recht.

Es stellte klar: Eine Untersagung der gewerblichen Abfallsammlung ist materiell rechtmäßig, wenn Tatsachen bekannt sind, aus denen sich Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Anzeigenden oder der für die Leistung und Beaufsichtigung der Sammlung verantwort­lichen Person ergeben. Oder, wenn die Voraus­setzungen der § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 oder 4 KrWG nicht eingehalten werden können. Allerdings sei eine solche Untersagung nur als ultima ratio möglich. Die Behörde darf keine Untersagung erteilen, wenn es noch mildere Alternativen gebe, die gleich geeignet seien (vgl. z.B. § 62 KrWG).

Das liegt darin begründet, dass die Abfalluntersagung regelmäßig in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG eingreift. Um den Wertungen des Grundgesetzes zu genügen, sind sowohl Verhältnis­mäßigkeitsgrundsätze zu achten als auch das verfassungs­rechtliche Übermaß­verbot.

Anforderungen an die Darlegungspflicht für eine ordnungsgemäße Abfallverwertung

Außerdem stellte das Gericht klar, dass es genüge, wenn der gewerbliche Abfallsammler pauschale und plausible Angaben zum etablierten Verwertungswegs macht. Dazu sei es i.d.R. auch ausreichend, wenn eine schriftliche Erklärung des abnehmenden, zertifizierten Entsorgungs­unternehmens zur Annahme der Abfälle bzgl. Umfang und Zeitraum vorliegt. Dessen Fähigkeit zur Abfall­annahme und -verwertung aus der gewerblichen Sammlung darf außerdem keinen ernsten Zweifeln unterliegen.

Nicht erforderlich seien hingegen lückenlos erforderliche Nachweise zur Verwertungs­kette, wie z.B. die Vorlage von Verträgen außerhalb des Einfluss­bereichs des gewerblichen Abfallsammlers. Dies überspanne die Darlegungs­pflicht der Verantwortlichen.

Kein Konkurrenzschutz für öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger

Ein öffentlich-rechtlicher Entsorgungs­träger, der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Kreislaufwirtschafts­gesetzes noch nicht existiert hat, kann nicht mittels Untersagungs­verfügungen der zuständigen Abfallrechtsbehörde vor seinerzeit bereits vorhandenen privaten Konkurrenten rechtlich geschützt werden, so das Gericht. Denn es soll kein Monopol des öffentlich-rechtlichen Entsorgungs­trägers im relevanten Markt geschaffen werden.

Das Gericht stellte klar, der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger kann seine Entwicklungs­möglichkeiten im Wettbewerb mit konkurrierenden Privat­unternehmen entfalten und sich beispielsweise durch ein attraktives Angebot mit seinem Sammel­system am Markt durchsetzen.

Im Fall, der dem Gericht vorlag, standen der Abfallverwertung somit auch keine überwiegenden öffentlichen Interessen entgegen. Eine solche sei etwa nur dann anzunehmen, wenn die Sammlung in ihrer konkreten Ausgestaltung, auch im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen, die Funktions­fähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungs­trägers gefährden würde. So etwa, wenn diese ihre Entsorgungs­pflichten (gem. § 20 KrWG) nicht mehr erfüllen könnten oder in ihrer Planungs­sicherheit und Organisations­verantwortung wesentlich beeinträchtigt würden.

Alttextilien sind „Abfall“

Auch über die Abfalleigenschaft der Alttextilien waren sich die Parteien vor Gericht uneins. Doch das Gericht führte aus, dass Alt­textilien, die in öffentlich zugänglichen Containern gesammelt werden, „Abfall“ i.S.d. § 3 Abs. 1 KrWG sind. Irrelevant sei, ob der gewerbliche Abfallsammler die Textilien „vorsortiere“ bevor er sie seinen Vertrags­partnern übergibt. Stattdessen sei ausschlaggebend, dass die entsprechenden Stoffe bzw. Gegenstände für den ursprünglichen Besitzer wertlos geworden sind, sodass er sich dieser entledigen wollte, indem er sie der Entsorgung zuführte. Indem er die Textilien in den Sammel­container einwirft, gebe er die Sachherrschaft über sie auf und überträgt sie zum Verwertungszweck an den Inhaber der Sachherrschaft über den Sammel­container, so das Gericht.

AMETHYST - Tipp

Dieses Urteil zeigt, wie schnell die Abfallrechtsbehörden mitunter Untersagungsverfügungen aussprechen. Es zeigt auch: Nicht jede Untersagungsverfügung ist rechtmäßig! Da den Abfallrechtsbehörden i.d.R. noch eine ganze Menge anderer, milderer Maßnahmen zur Verfügung stehen, ist die Untersagung als härtestes Mittel oftmals unverhältnismäßig.

Wir von AMETHYST Rechtsanwälte überprüfen gerne Ihren Untersagungsbescheid und gehen gerichtlich dagegen vor.

Kommentar von:

<b>Anika Nadler</b>
Anika Nadler

Partneranwältin bei AMETHYST Rechtsanwälte

Veröffentlicht am:

24. November 2021