Das VG Kassel zur Abfalleigenschaft von Altreifen
Das VG Kassel zur Abfalleigenschaft von Altreifen
Das VG Kassel zur Abfalleigenschaft von Altreifen
- Kategorie: Abfallrecht
Altreifen sind dann als Abfall (i.S.d. § 3 Abs. 1 S. 1 2. Alt. KrWG) einzustufen, wenn sie nicht mehr für den Gebrauch im deutschen Straßenverkehr zugelassen sind. Für ihre Lagerung bedarf es somit einer abfall­rechtlichen Genehmigung. Fehlt diese, kann es teuer werden. Das bestätigte das Verwaltungsgericht Kassel, mit seinem Beschluss vom 09.07.2021 (Az. 4 L 940/21).
Unmengen alter Reifen auf Grundstück
Im konkreten Fall hatte der Antragsteller vor dem VG Kassel einstweiligen Rechtsschutz gesucht, da ihm per Bescheid angetragen wurde, u.a. Unmengen auf einem Grundstück gelagerten Altreifen innerhalb von sechs Monaten nach Vollziehbarkeit des Bescheides zu entsorgen. Darüber hinaus verlangte die Behörde entsprechende Entsorgungsbelege von ihm. Bei Zuwiderhandlung waren ihm Zwangsgelder i.H.v. 5.000 EUR bzw. 1.000 EUR angedroht worden. Dagegen wehrte er sich vor Gericht und argumentierte, dass es sich bei den von ihm gelagerten Gegenständen nicht um Abfall i.S.d. 3 § Abs. 1 KrWG und bei dem von ihm genutzten Grundstück nicht um eine Abfallanlage handele. Die Altreifen dienten ihm als Handelsware und seien für den Gebrauchtreifenhandel vorgesehen, ein Großteil würde exportiert, an andere Händler veräußert, einige dienten als Bastelware und weitere würden im Handel als Granulat weiterverarbeitet. Nur eine geringe Menge sei zur Verbrennung vorgesehen. Dass eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Lagerung erforderlich sei, sei ihm nicht bewusst gewesen.Genehmigungspflichtige Anlage
Das Gericht entschied gegen ihn und stufte die Ansammlung der Altreifen als Lagerung von Abfall ein. „Abfall“ i.S.d. § 3 Abs. 1 KrWG seien Gegenstände, denen sich ihr Besitzer entledigt hat oder entledigen will. Ausschlaggebend sei der Wille bzw. das Verhalten des ursprünglichen Besitzers der Altreifen. Eine „Entledigung“ i.d.S. liegt dann vor, wenn der Besitzer die Gegenstände einer Verwertung zuführt oder die tatsächliche Sachherrschaft über sie unter Wegfall jeder weiteren Zweckbestimmung aufgibt. Indem die ursprünglichen Besitzer der Reifen diese ausdrücklich einer Firma überlassen haben, die sich „Reifenentsorgung“ nennt, haben sie sich damit ihrer entledigt. Im Übrigen ergibt sich der Wille zur Entledigung bereits aus § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KrWG. Danach ist ein solcher Wille hinsichtlich solcher Stoffe oder Gegenstände anzunehmen, deren ursprüngliche Zweckbestimmung entfällt oder aufgegeben wird, ohne dass ein neuer Verwendungszweck unmittelbar an deren Stelle tritt. Dass die Reifen für den Export, die Runderneuerung, als Bastelware, als Granulat oder zur Verbrennung bestimmt gewesen sein sollen, stellt jedoch noch keinen neuen Verwendungszweck dar, der unmittelbar an die Stelle der ursprünglichen Zweckbestimmung getreten wäre. Dies wäre nur dann anzunehmen, wenn ein einheitlicher, nie unterbrochener Wille des Besitzers vorliegt, wie mit dem Stoff oder Gegenstand verfahren werden soll, so das Gericht. Daher sei selbst eine vorübergehende Lagerung nur dann unschädlich, wenn schon zu deren Beginn nach außen erkennbar ein neuer Verwendungszweck feststeht. Eine solche Zweckbestimmung sei für die Reifen jedoch nicht erkennbar, stellte das Gericht fest.AMETHYST - Tipp
Diese Entscheidung zeigt: Die abfallrechtliche Einordnung von alten Gegenständen sollte keineswegs auf die leichte Schulter genommen werden. Die handelnde Behörde ist etwa befugt, Zwangsgelder anzuordnen. Der illegale Betrieb einer Lagerhalle für Abfälle erfüllt außerdem den Vergehenstatbestand nach § 327 Abs.2 StGB sowie den Ordnungswidrigkeitstatbestand nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG. Auch darauf wies das Gericht ausdrücklich hin. Wir, von AMETHYST-Rechtsanwälte, beraten Sie gerne und gehen gegen Ihre Bescheide vor.
Kommentar von:

Anika Nadler
Partneranwältin bei AMETHYST Rechtsanwälte
Veröffentlicht am:
13. September 2021