Nachbarn haben Parkplatz­lärm hinzu­nehmen

Nachbarn haben Parkplatz­lärm hinzu­nehmen

Nachbarn haben Parkplatzlärm grundsätzlich hinzunehmen – aber nicht um jeden Preis

Das Abstellen und Einparken von Kraft­fahrzeugen auf Stell­plätzen und die damit verbundene Geräuschkulisse haben Anwohner grundsätzlich hinzunehmen. Allerdings kann die Errichtung von Stell­plätzen nicht oder ggf. nur eingeschränkt genehmigt werden. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn besondere örtliche Verhältnisse vorliegen, wenn die Stellplätze etwa im Inneren von Wohn­­komplexen oder in ruhigen rückwärtigen Gartenbereichen hinter Wohnhäusern gelegen sind. Inwieweit solche Stellplätze dann zulässig sind hängt jedoch maßgeblich davon ab, was die Betroffenen in dem Bereich, in dem sich die Stellplätze auswirken werden, bereits hinzunehmen oder zu erwarten haben. Das entschied das Ober­verwaltungs­­gericht Sachsen-Anhalt am 20.10.2020 durch Beschluss (Az. 2 M 71/20).

Die Baugenehmigung verletzt keine drittschützenden Normen

Im konkreten Fall war ein Grundstücks­eigentümer gegen die Baugenehmigung für 28 Stellplätze auf dem benachbarten Grundstück vorgegangen, weil er unzumutbare Lärm­belästigungen durch ein- und ausparkende Autos befürchtete.

Doch das Gericht entschied: Da die Bau­genehmigung gegen keine Regelungen verstoße, die dem Schutz Dritter, also auch des Nachbarn dienen, sei sie rechtmäßig und begründete dies im Einzelnen ausführlich.

Vorschriften für allgemeines Wohngebiet zu achten

Trotz der an das Bau­­grund­stück angren­zenden Klinik sowie der angrenzenden Agentur für Arbeit, entspricht die nähere Umgebung hier einem allgemeinen Wohn­gebiet und nicht etwa einem Misch­gebiet (§ 6 BauNVO), da die Klinik als Anlage für gesundheitliche Zwecke und die Agentur als Anlage für Verwaltungen ausnahms­weise zulässig sind (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 BauNVO).

In der Folge seien jedenfalls solche Stell­plätze die dem Bedarf des Grundstücks dienen, auf dem sie errichtet werden sollen (§ 12 Abs. 2 BauNVO), zulässig, so das Gericht. Im konkreten Fall hieß das: Für die geplanten 28 Wohneinheiten auf dem Baugrundstück sind auch die geplanten 28 Stellplätze zulässig. Denn angesichts der weit verbreiteten Motorisierung kann von einem entsprechenden gebietsbezogenen Bedarf ausgegangen werden.

Berücksichtigung besonderer örtlicher Verhältnisse

„Parkplatzlärm“ ist zwar grundsätzlich im allgemeinen Wohngebiet hinzunehmen. Bauliche Anlagen sind aber unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind (§ 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO).

Dabei seien allerdings immer die Umstände des Einzelfalls, inklusive besondere örtliche Verhältnisse zu berücksichtigen. Solche könnten etwa bei Stell­plätzen vorliegen, die im Inneren von Wohnkomplexen oder in ruhigen rückwärtigen Gartenbereichen hinter Wohnhäusern gelegen sind, betonte das Gericht.

Beispiele für unzumutbare Belästigungen

Das Gericht zählte auch Beispiele auf, wann eine unzumutbare Belästigung im Einzelfall etwa zu bejahen sein kann. So etwa, wenn die Zufahrt besonders steil ist, ungünstige Höhen­verhältnisse zu Wohnräumen auftreten, eine beengte Situation zu vermehrtem Rangieraufwand führt oder eine Massierung von Stellplätzen auf der dem Nachbarn zugewandten, ruhigen und besonders schützenswerten Grund­stücks­seite erfolgt.

Zusammenfassend kann die Nutzung von Stellplätzen dann unzumutbar sein, wenn sie durch ihre Lage, Anzahl, Zuwegung und sonstige Besonder­heiten des Einzelfalls das sozialadäquate Maß an Beeinträchtigungen überschreitet.

Maßgebend sind bereits hinzunehmende Beeinträchtigungen in der Nachbarschaft

Ob in rückwärtigen Grundstücksbereichen errichtete Stellplätze zumutbar sind oder nicht, hängt entscheidend davon ab, was die Betroffenen in dem Bereich, in dem sich die Stellplätze auswirken, bereits hinzunehmen oder zu erwarten haben. Ausschlag­gebend sei dabei nicht allein das aktuell gegebene Ausmaß an Beeinträchtigungen durch Stell­platz­anlagen, sondern auch der Umstand, inwieweit der betreffende rückwärtige Grundstücks­bereich bereits durch andere Grundstücke im näheren Umfeld als Standort für Stellplätze oder auf andere Weise durch kraftfahrzeug­bedingte Immissionen vorgeprägt ist, so das Gericht.

Heißt konkret: Befinden sich in der Nachbar­schaft entsprechende Vorbilder für die jeweilige Stellplatz- oder Garagenanlage, kann der betroffene Grundstücks­eigentümer grundsätzlich nicht darauf vertrauen, seinen Gartenbereich dauerhaft als KfZ-lärmfreie Ruhezone nutzen zu können.

Im Fall, der dem Gericht vorlag war zu berücksichtigen, dass der Innenhof schon in der Vergangenheit über längere Zeit zum Abstellen von Kraft­fahrzeugen genutzt worden war. Gleiches galt für umliegende Grundstücke, auf welchen regelmäßig zu großer Zahl Kraftfahrzeuge geparkt wurden. Das Gericht entschied daher gegen den Antrag­steller und stufte die Bau­genehmigung für die Stell­plätze als rechtmäßig ein.

AMETHYST - Tipp

Dieses Urteil konkretisiert die Anforderungen an unzumutbare immissionsrechtliche Beeinträchtigungen. Denn nicht jeder Lärm ist gerichtlich einschränkbar.

Hat jemand auch gegen Ihre Baugenehmigung Widerspruch eingelegt, beraten wir von AMETHYST Rechtsanwälte Sie gerne, wie am besten vorzugehen ist.

Kommentar von:

<b>Anika Nadler</b>
Anika Nadler

Partneranwältin bei AMETHYST Rechtsanwälte

Veröffentlicht am:

11. November 2021